Zigarren-Etikette

Wenn es darum geht, gute Zigarren im Kreise von anderen Aficionados zu geniessen, gibt es einige Höflichkeitsregeln zu befolgen. Denn das Geniessen von Zigarren macht zwar vor allem Spass, es gibt allerdings auch eine kleine Etikette zu beachten. Vor allem, wenn Du im Restaurant oder geschäftlich eine Zigarre mit anderen passionierten Aficionados zusammen rauchst, solltest Du einige einfache Dinge berücksichtigen:

  1. Jemandem eine Zigarre anbieten ist seit jeher eine Geste besonderer Wertschätzung. Sei es, um jemanden kennenzulernen, sei es, um eine angenehme Situation für ein Gespräch zu schaffen. Man denke nur an die Friedenspfeife der Indianer. Zwischen Tabak und Zigarre besteht kein grosser Unterschied. Sich in Gesellschaft eine Zigarre anzuzünden, ohne zuvor den nächsten Anwesenden eine offeriert zu haben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Zigarre anzubieten ist Ehrensache.
  2. Mit einem Etui für 4 Zigarren liegst Du meist richtig. Einerseits hat es das ideale Taschenformat, andererseits kannst Du 3 weiteren Personen eine Zigarre anbieten. Bei grösseren Gesellschaften empfiehlt sich die Mitnahme einer Zigarrenkiste.
  3. Optimal ist natürlich, verschiedene Zigarren-Formate in verschiedenen Stärkegraden mitzunehmen.
  4. Überlasse die Wahl der Zigarre stets Deinem Gegenüber, auch wenn es sich um eine desselben Formats handelt. Damit bezeugst Du ihm Deinen Respekt.
  5. Nicht wenige haben die Angewohnheit, den Feuchtigkeitsgrad einer Zigarre durch Druck auf deren Körper zu überprüfen, sie gegebenenfalls auch prüfend ans Ohr zu halten, da deutliches Knistern von einer zu trockenen Konsistenz zeugen soll. All das sollte tunlichst vermieden werden. Stelle Dir einmal vor, Du bekämst eine Zigarre angeboten, die zuvor durch Dutzende von prüfenden Händen gegangen ist – eine recht unappetitliche Vorstellung. Qualitätsbezogener Nebeneffekt: auch das Deckblatt einer hinlänglich feuchten Zigarre nimmt durch eine solch intensive «Behandlung» Schaden.
  6. Um den Feuchtigkeitsgrad zu ermitteln, genügt ein einmaliger leichter Druck. Bedeutend besser lässt sich die Qualität einer Zigarre allerdings über die Nase beurteilen: Zu trockene Zigarren geben wenig Aromen frei.
  7. Jüngst aufgekommene Beschränkungen bescheren auch dem Zigarrenliebhaber neue Erschwernisse. Es reicht heute nicht mehr aus, sich in einem Restaurationsbetrieb nach dem Raucherbereich zu erkundigen. Nicht in jedem Raucherzimmer ist auch das Zigarrenrauchen erwünscht. Das Servicepersonal wird Die die entsprechende Auskunft geben.
  8. In Zeiten des Internets kann man sich meist auf der Web-Seite Restaurationsbetriebes informieren.
  9. Vor dem Anschnitt sollte der Zigarrenkopf mit Speichel angefeuchtet werden. Ein feuchtes Deckblatt bleibt beim Anschneiden unversehrt. Auf Aussenstehende, insbesondere auf Laien, mag dieses Ritual provokant, gar abstossend wirken. Lass Dich davon nicht weiter stören. Wenn sogar der spanische König von seinem Protokollchef in dieser Praxis bestärkt wird, sei sie auch allen anderen Sterblichen gestattet.
  10. Die vorherige Regel gilt selbstverständlich nur im Falle der eigenen Zigarre. Keinesfalls wirst Du, weder in privaten Räumen noch in einem Restaurant, eine solch intime Handlung einem anderen überlassen.
  11. Lass Dich beim Anschnitt des Kopfes Zeit. Das Anschneiden zählt zu jenen wichtigen Ritualen des Zigarrenrauchens, das viel Sorgfalt verlangt. Ein grosser Anschnitt erleichtert den Zug, ein kleinerer hingegen wird ihn etwas erschweren. Entsprechend solltest Du den Anschnitt wählen, der Deinen Vorlieben entgegenkommt.
  12. Auch unter den Schneideutensilien solltest Du auf das Gerät vertrauen, mit dem Du am besten zurechtkommen. Das kann ein Rundcutter sein, eine Guillotine oder eine Schere. Auf jeden Fall solltest Du preisgünstige Modelle meiden. Sie stumpfen schnell ab – und ein stumpfes Gerät beschädigt unweigerlich jede Zigarre. Entscheide Dich daher immer für ein hochwertiges Schneidegerät.
  13. Auf V-förmige Cutter, wie sie vor einigen Jahren in Mode gekommen sind, empfiehlt es sich zu verzichten. Ihre kraterähnlichen Löcher behindern die Luftzirkulation und begünstigen damit die Konzentration von Nikotin. Ein unangenehm bitterer Geschmack ist die Folge.
  14. Beim Rundcutter ist die richtige Grösse zu beachten. Die Öffnungen sollten zwei Drittel der Gesamtfläche ausmachen. Für jedes Format gibt es das passende Modell. Rauchst Du gewöhnlich ein bestimmtes Format, ist ein Cutter ausreichend. Für Figurados ist er dagegen ungeeignet.
  15. Das universellste Gerät ist die Schere. Mit ihr lassen sich alle Formate problemlos anschneiden.
  16. Auch das Anzünden einer Zigarre duldet keine Hektik. In der Eile versuchen wir zuweilen, eine Zigarre wie eine Zigarette anzuzünden, um schnell den ersten Zug machen zu können. Davon ist abzuraten. Die Zigarre ist auf eine solch abrupte und aggressive »Attacke« überhaupt nicht vorbereitet. Es wird dann kaum gelingen, sie gleichmässig zu rauchen. Darüber hinaus wird sie mit grosser Wahrscheinlichkeit unregelmässig abbrennen.
  17. Die Zigarre in den Händen, zündest Du das Zigarrenende sorgfältig von der Mitte her an. Die Flamme arbeitet sich dann vom weniger leicht brennbaren Ligero-Blatt zu den Rändern hin vor. Erst wenn die gesamte Fläche glüht, kann der erste Zug gemacht werden.
  18. Ungleichmässiges Brennen lässt sich durch leichtes Blasen auf die geringer entflammten Stellen der Zigarre beheben.
  19. Für den täglichen Gebrauch sind spezielle Streichhölzer für Zigarren empfehlenswert. Soll es einmal schnell gehen, kommen auch Pfeifenanzünder in Frage, die sich übrigens dann am besten für das Anzünden einer Zigarre eignen, wenn Du Dich im Freien aufhältst. Natürlich ist auch gegen normale Gasfeuerzeuge absolut nichts einzuwenden.
  20. Wer besonders viel Wert auf Etikette legt, der greife beim Anzünden zu einem Holzspan. Das damit verbundene Prozedere erfordert allerdings einige Erfahrung und Geschicklichkeit.
  21. Einige Zigarrenraucher erwärmen die Zigarre vor dem Anzünden über der Flamme. Hiervon ist eher abzuraten. Das Deckblatt wird beschädigt, die Zigarre trocknet aus, und der Rauch wird sehr heiss.
  22. Im Unterschied zur Zigarette verlangt die Zigarre Respekt und Aufmerksamkeit. Nie solltest Du Dich ihrer schämen, indem Du das feine Stück beispielsweise unter dem Tisch versteckst.
  23. Halte die Zigarre zwischen 2 Zügen stets mit der Asche nach oben. Nur so bildet sich ein gleichmässiger Abbrand aus. Ausserdem hält die Asche länger an der Zigarre, weshalb sie keine übermässig starke Hitze entwickelt. Eine Zigarre brennt bekanntlich dank der Sauerstoffzufuhr, wodurch die heisse Luft nach oben abzieht. Bei einer Zigarre, deren Brandende nach unten gehalten wird, steigt der heisse Rauch zum Zigarrenkopf auf. Die Folge ist ein heisseres und schärferes Rauchen. Hältst Du die Zigarre dagegen nach oben, sind die Temperaturen niedriger und ist das Rauchen angenehmer.
  24. In verschiedenen Ländern herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine Zigarre zu halten ist. In Ländern mit recht konservativen Traditionen, wie etwa in England und in der Schweiz, ist es nicht üblich, die Zigarre zwischen den Zähnen zu halten. Die Ästhetik hat hier eindeutig Vorrang.
  25. In Ländern wie Spanien und Kuba wird das hingegen bedeutend lockerer gesehen. Dort hält der Aficionado seine Zigarre ausschliesslich zwischen den Zähnen. Die ätherischen Öle aus dem Deckblatt können sich so ungehindert im Mund verbreiten und belohnen den Raucher mit einem recht intensiven Geschmack.
  26. Die Zigarre zwischen den Zähnen – das kommt einer Art Provokation gleich, der selbstbewussten Demonstration des eigenen Egos. Der angehende Zigarrenraucher ist da eher zurückhaltend.
  27. Für manche gehört das Eintauchen der Zigarrenspitze in Cognac oder Calvados, in Portwein, Whisky oder Rum zum guten Ton. Winston Churchill soll seine Zigarren stets in Whisky getaucht haben. Ob Dichtung, ob Wahrheit – es sei dahingestellt. Fest steht: durch das Eintauchen nässt die Zigarre durch, es verändert sich ihr Geschmack – und ob das den Rauchgenuss erhöht, darf bezweifelt werden.
  28. Manchmal brennt die Zigarre während des Rauchens unregelmässig ab. Zum einen sticht dadurch der Rauch ins Auge, zum anderen sieht das Ganze nicht gerade schön aus. Diese Unregelmässigkeit sollte deshalb korrigiert werden. Hier bieten sich 2 Methoden an: entweder die erloschene Seite erneut anzünden oder die intensiver brennende Seite mit dem nassen Finger etwas anfeuchten.
  29. Willst Du eine erloschene Zigarre erneut anzünden, dann streiche die Asche vollständig ab, so dass die gesamte Brandfläche zum Vorschein kommt. Nun ist sie wieder leicht entzündbar. Mit »alter« Asche weiterzurauchen heisst, mit schlechtem Geschmack weiterzurauchen. Ausserdem führt solches Tun zu Temperaturschwankungen, wodurch Kondensatrückstände entstehen, die in der Asche als Feuchtigkeit und unangenehme Aromastoffe zurückbleiben (Öl und Teer), welche bei erneutem Anzünden in den Zigarrenkörper übergehen. So erhöht sich zum einen der Feuchtigkeitsgehalt, der die ursprüngliche Struktur destabilisiert, und zum anderen können die »erstarrten« Aromastoffe den Geschmack verändern.
  30. Um die Zigarre möglichst gründlich von Aromarückständen zu befreien, ist es angeraten, folgendermassen vorzugehen: Du zündest die Zigarre an, aber anstatt eines Zuges bläst Du einige Male auf das Brandende. Du hast dann gute Chancen, die unangenehmen Stoffe loszuwerden.
  31. Hat eine erloschene Zigarre länger als eine Stunde gelegen, sollte sie nicht wieder angezündet werden. In dieser Zeit haben sich in ihr unumkehrbare Prozesse vollzogen – ihr ursprünglicher Geschmack ist nicht wiederherzustellen.
  32. In klimatisierten Räumen zu rauchen ist nicht empfehlenswert. Mit der Zeit und bei regelmässigem Kontakt mit Zigarrenrauch verbreitet die »angegriffene« Klimaanlage unangenehme Gerüche. Die Erklärung hierfür ist einfach: Zigarrenrauch ist alkalihaltig und enthält, im Vergleich zum Zigarettenrauch, bedeutend mehr Aromastoffe. Hier handelt es sich um organische Verbindungen, welche die Zigarre als Rauch verlassen und nach einer gewissen Zeit den Gang alles Irdischen antreten. In diesem Fall lagern sie sich in den Filtern der Klimaanlage ab, weshalb die Filter bei entsprechender Konzentration Gerüche absondern, die an kalte Zigarettenstummel erinnern. Natürlich ist die beste Präventivmassnahme das Auswechseln der Filter.
  33. Das oben Gesagte bezieht sich auch auf Klimaanlagen in Autos. Der Unterschied ist nur, dass hier die Filter bedeutend schwerer auszuwechseln sind. Bedenke also die Folgen, bevor Du Dir eine Zigarre im Auto anzündest.
  34. Beeile Dich nicht, die Asche abzustreifen. Sie kühlt den Rauch ab und mindert dem Rauch die Aggressivität.
  35. Die Aschenmenge an der Zigarre ist ihr Gütesiegel. Daher sollte die Asche solange wie möglich am Brandende verbleiben. Zweieinhalb Zentimeter gelten als Durchschnittswert, während bei manchen Formaten die »Aschesäule« sogar über 5, ja 7 Zentimeter geht.
  36. Die Asche sollte im Aschenbecher nicht zerbröselt, sondern mit einigem Geschick von der Zigarre abgestreift werden. Hiermit demonstrierst Du die Festigkeit und die Stabilität der Asche – ein weiterer Beweis für die Güte Ihrer Zigarre.
  37. Im Zigarrenaschenbecher sollte sich, ausser Asche und Streichhölzern, nichts Überflüssiges befinden. Verpackungen oder Papier, schon gar nicht Teebeutel oder Kaugummi haben hier etwas verloren. Ja, viele überzeugte Connoisseurs sehen darin die respektlose Entweihung der »letzten Ruhestätte« einer Zigarre. Des Weiteren: kläme eine Zigarre etwa mit einem nassen Teebeutel in Berührung, würden ihre organoleptischen Eigenschaften unweigerlich beeinträchtigt.
  38. Auch die Bauchbinde der Zigarre hat nichts im Aschenbecher zu suchen. Du kannst sie nach dem Entfernen auf den Tisch legen – und sie wird dann vielleicht von einem Liebhaber in Empfang genommen, der diese Anillos sammelt.
  39. Ob die Bauchbinde entfernt wird oder nicht, entscheidet jeder Raucher individuell. Die Anhänger der »nackten« Zigarre haben etwas gegen das »Label-Rauchen«, während andere wiederum meinen, das Zigarrenrauchen drücke bereits einen gewissen Status aus, weshalb die Demonstration der bevorzugten Marke nichts Anstössiges an sich habe.
  40. Früher oder später muss die Bauchbinde ohnehin entfernt werden. Bei einer Zigarre, die sich noch im kalten Zustand befindet, empfiehlt sich solches Tun nicht. Da die Bauchbinden in der Regel durch etwas Pflanzenleim »angedockt« werden, könnte durch diesen Vorgang das Deckblatt beschädigt werden. Warte also, bis sich die Zigarre gebührend erwärmt hat.
  41. Jene Raucher, die sich ihrer Zigarre nicht »schämen«, sollten vor allem auf eines achten: die Bauchbinde darf nicht zusammen mit dem Tabak verbrennen. Deshalb: »Entkleide« Deine Zigarre rechtzeitig.
  42. Der Zeitpunkt des Abschieds von der Zigarre hängt von der Zigarre selbst bzw. deren Rauchbarkeit sowie vom Stil und von der Erfahrung des Rauchers ab. Ein Drittel als Rest gilt als normaler Richtwert für Raucher mit »normaler« Erfahrung. Der Kenner raucht dagegen gerne bis zur »heissen Lippe«. Ein nicht allzu schöner Anblick – in Ländern wie Spanien und Kuba erkennt man daran jedoch den gestandenen Aficionado. Um sich die Finger nicht zu verbrennen, nimmt der eine oder andere schon einmal einen Zahnstocher zu Hilfe, auf den er den verbliebenen Zigarrenkopf spiesst.
  43. Das andere Extrem ist das Wegwerfen von Zigarren, die nur knapp bis zur Hälfte aufgeraucht sind. Solch eine Handlung gleicht einer Zumutung für die Zigarre selbst, aber auch für den freundlichen Spender. Das ist ungefähr so, als ob man Bordeaux in Senfgläser füllen oder einen edlen Whisky mit Cola strecken würde. Sehen zu müssen, dass eine Zigarre unverstanden bleibt – ein Trauerspiel.
  44. Damit das Servicepersonal im Restaurant den Aschenbecher samt Zigarre nicht vor der Zeit abräumt, wende  einfach das »Messer-und-Gabel-Prinzip« an. Wenn du mit dem Rauchen noch beschäftigt bist, lege die Zigarre in die Vertiefung des Aschers. Bist du hingegen mit dem Rauchen fertig, lasse sie in der Mitte des Aschenbechers liegen.
  45. Eine Zigarre stirbt für sich allein. Im Aschenbecher geschieht das relativ schnell (in etwa 2 bis 3 Minuten), und zwar aus dem Grund, weil an die dicht gepressten Tabakblätter der Einlage kaum Sauerstoff herankommt.
  46. Man sollte eine Zigarre niemals im Aschenbecher ausdrücken. Tust Du es dennoch, erleichterst Du die Sauerstoffzufuhr. Je stärker die Zigarre ausgedrückt wird, desto besser wird sie mit Sauerstoff versorgt – und umso stärker wird sie aufglimmen. Abgesehen davon ist das Ausdrücken einer Zigarre ein Sakrileg – jeder Connaisseur wendet sich beim Anblick eines zerfledderten Zigarrenkopfs mit Schaudern ab.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 29 = 35